Die geheimen Verführer / 29.08.09
Wie man ganz subtil Politik macht
Was ist für manche Leute in Münster das aktuelle Problem? Schwarz-Gelb wackelt. Wer wird die Wahl entscheiden? Die Unentschlossenen. Wie kommt man in die Köpfe? Mit menschelnden Fotos.
Also, was lag näher für die Westfälischen Nachrichten, als ein bisschen an der Fotoschraube zu drehen?
Zwei Fotos der beiden Oberbürgermeisterkandidaten setzen die WN (“Einer wird gewinnen” im Lokalteil “Münsterischer Anzeiger”, 29.8.2009) gegeneinander: zweimal ein abgeschnittenes Gesicht, zwei Augen, ein Ohr, eine Nase, eine Brille.
Alles o.K., faires Verfahren?
Nein, absolut nicht. Schauen wir mal genauer hin:
Das Lewe-Foto ist größer. Geringfügig, aber doch; die zusätzlichen Millimeter Bildhöhe geben dem Mann einen Mund, Lachfalten um den Mundwinkel werden gezeigt. Kopfhaltung und Bildausschnitt sind so gewählt, dass ein Lächeln rüberkommt. Die Botschaft: der ist nett zu Dir.
Und das Heuer-Foto? Ist niedriger: dieser Mann auf dem Foto hat überhaupt keinen Mund, der gewählte Bildausschnitt zeigt überhaupt keine Lachfalten – und warum zeigt das Bild denn eine solche Knollennase? Na, ganz einfach, der Fotograf hat mit dem Licht gespielt: er schaut dem Fotografierten in die Nasenlöcher, eine Perspektive, die bei den wenigsten Menschen vorteilhaft ist. Und er hat das Licht so eingesetzt, dass das Gesicht glänzt wie eine Speckschwarte und jede einzelne Hautpore sichtbar ist – in der Nachschau zu Familienfeiern heißt es bei Otto Normalverbraucher in solchen Fällen „Das Bild löschst Du aber, das will ich nicht im Album haben!“ Denn jedes Gesicht glänzt, wenn das Licht falsch gesetzt ist, nicht umsonst werden Promis vor Fernsehauftritten gepudert. Flächig wirkt das Gesicht auf diesem Foto: ach ja, der Fotograf hat nicht nur Licht von unten gewählt, sondern auch Licht von der anderen Seite genau aufs Ohr, er hat dem Gesicht damit die freundliche Profilierung genommen. Und dann die Kopfhaltung: also wirklich, der Kerl ist aber hochnäsig, trägt den Kopf hoch erhoben … suggeriert der gewählte Ausschnitt.
Zufall? Kaum. Beide Fotos stammen von demselben Fotografen. Man merkt die Absicht und ist verstimmt: Fotos lügen, das wissen wir schon lange, aber so ein Spielchen gehört sich nicht. Nicht für eine Tageszeitung, die als seriös gelten will, da haben die geheimen Verführer eigentlich nichts verloren.
