Hiltruper Marktallee verändert ihr Gesicht

Das Zentrum wechselt den Maßstab

Hiltrups Zentrum verändert in raschem Tempo sein Gesicht. Die Marktallee wechselt ganz deutlich ihren Maßstab, Puppenstube und Kleinklein verschwinden nach und nach. Wer erinnert sich noch an das geradezu niedliche Häuschen auf dem Foto von 1985? Als letzter Vertreter einer vergangenen Baukultur (und Lebensweise) hat es rechts neben Klostermann sicher 100 Jahre ausgehalten, bis es durch einen großen Neubau ersetzt wurde.

Hiltrup, Marktallee 72 (Herbst 2014; Foto: Klare)

So ist es jetzt auch dem Haus Marktallee 72 gegenüber dem Restaurant Nikos ergangen, das auf dem Foto aus dem Jahr 2014 noch abgebildet ist. Heute künden Baugrube und Bauschild einen Neubau an, der sich mit Geschäftsräumen und Wohnungen in die Reihe der ebenfalls neuen westlichen Nachbarhäuser einfügen wird.

Hiltrup verändert hier sein Gesicht in einem Tempo, das man vor wenigen Jahren noch nicht für möglich gehalten hätte. Kleinteilige Bebauung und mit ihr die Erinnerung an eine beschauliche Bahnhofstraße vor dem zweiten Weltkrieg verschwindet, aber wenn man ehrlich ist muss sie verschwinden. In der Diskussion um den großen Wiewel-Supermarkt am Bahnhof, der jetzt ebenfalls Gestalt annimmt, war doch deutlich geworden: der Abschnitt der Marktallee von Burgholz bis zum Bahnhof war ein Sorgenkind, er drohte zur schäbigen Meile zwischen Bahnhof und Kern-Marktallee zu werden. Die untere Marktallee zur Westfalenstraße hin gibt das Veränderungstempo vor.

Hiltrup, Marktallee 34 (Herbst 2014; Foto: Klare)

Ein ähnlicher Maßstabswechsel steht der Marktallee 34 bevor. Wo auf dem Foto aus dem Jahr 2014 noch Schuh-Berger Kunden anlockt (jetzt einige Häuer weiter neben Elektro-Weischer), steht das wenig attraktive Ladenlokal jetzt leer, und auch der Info-Punkt links im Bild wird weichen. Die Erben der bisherigen Besitzerin realisieren den Wert dieses sehr zentral gelegenen Grundstücks; aus den kleinen, heute nicht mehr marktfähigen Geschäftslokalen in einem kleinteiligen Gebäude wird sicher auch hier ein großzügiges Wohn- und Geschäftshaus entstehen. Damit wird auch Hiltruper Lokalkolorit verschwinden, das sich an dieser Stelle erhalten hat: früher kniffen aus dem Hintergarten dieses Hauses die Hühner aus und machten die großen Grundstücke unsicher, die jetzt nach und nach zugebaut werden; die Nachbarn werden in Zukunft keinen Hahnenschrei mehr hören.

Die ehemalige Hiltruper Post vor dem Abbruch (Januar 2016; Foto: Klare)

In der unmittelbaren Nachbarschaft steht der Abbruch eines Gebäudes bevor, das Hiltruper Lokalgeschichte verkörpert. Das Haus Am Klosterwald 3 war Postamt, in der Dienstwohnung des Obergeschosses lebten die Eltern des Priesters Poether, der in der NS-Zeit ermordet wurde. Stolperstein für Bernhard Poehter vor dem Haus Am Klosterwald 3 Ein messingner Stolperstein von Günter Demnig im Pflaster vor dem Haus erinnert an ihn.

Das Kontor mit dem riesigen Tresor hat nach der Post dem Bauunternehmen Rink und einigen Nachmietern gedient (Januar 2016; Foto: Klare)

Im Haus erinnern der gewaltige Tresor und die Theke noch an die frühere Nutzung. Nach dem Auszug der Post residierten hier die Bauunternehmung Rink, deren Bauhof hinter Kolata / Sparkasse lag, und wechselnde Nachmieter.

Zwischen Patronatsstraße und Marktallee entsteht das Clemens-Carré (Dezember 2015; Foto: Klare)

Dass die Vermarktung all dieser zusätzlichen Gewerbeflächen in Hiltrups Zentrum kein Selbstläufer ist, zeigt der mühsame Start des Clemens-Carré westlich der Gaststätte Bröcker. Von der Ankündigung des Projektes und Inserierung in den Immobilienportalen bis zum Baubeginn ist sicher ein Jahr vergangen. Nicht alle angesprochenen Hiltruper Ärzte sahen einen Vorteil darin, in diesen als Ärztehaus angepriesenen Neubau umzuziehen, und auf die zukünftigen Mieter der Ladenlokale im Erdgeschoss darf man gespannt sein.

Hiltrup, Marktallee 14 (Herbst 2014; Foto: Klare)

Der Investor des Hauses Marktallee 14 gegenüber Fahrrad-Hölscher war da vorsichtiger und hat auf die Schaffung von Ladenlokalen verzichtet. Das enge Grundstück mit knappen Parkmöglichkeiten bot sich für solche Zwecke nicht gerade an, und das elende Schicksal des coop – Rewe – Markant-Supermarktes auf der anderen Straßenseite war eine Warnung. Für diesen Abschnitt der Marktallee wäre es zu begrüßen, wenn der neue Eigentümer dieser Problem-Immobilie endlich sein angekündigtes Investitionsprogramm umsetzt.

Hiltrup, Marktallee 2 “Das Tor zur Marktallee” (Herbst 2014; Foto: Klare)

Der Anfang der Marktallee hat mit dem Neubau Marktallee 2 sein “Tor zur Marktallee” bekommen. Wenn die Architektur die Versprechungen dieser wohlklingenden Bezeichnung auch nicht ganz einlöst, hat dieser Eingang in Hiltrups Zentrum doch ein vorzeigbares Gesicht bekommen. Nach vielen Jahren der Brachfläche, des Leerstandes und der Häme über “Klein Bottrop” war das ein Beginn, der sich zurzeit mit der Bebauung des Nachbargrundstücks an der Westfalenstraße fortsetzt.

Für die Hiltruper Kaufleute ist diese schnelle Entwicklung eine große Herausforderung. Die Vielzahl neuer Gewerbeflächen wird ihnen das Leben auf einer Seite schwerer machen. Auf der anderen Seite wird ein vergrößertes Einzelhandelsangebot mit dazu beitragen, dass sich die Marktallee als Erlebnis- und Einkaufsmeile auch für das Umland behaupten kann.